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Ehrwürdiger Meister, meine lieben Brüder,

allem Handeln geht eine Idee, ein Traum voraus!

Als ich vor etwa 5 Wochen von unserem Br. Redner gefragt wurde, ob ich nicht zum Thema Flüchtlinge eine Zeichnung für diese Arbeit auflegen könne, – da ich ja selber einmal ein Flüchtling gewesen bin – konnte ich nicht erahnen, welche Dynamik dieses Thema bekommen würde.

Mir ist auch vollkommen bewusst, wie heikel und kontrovers das Thema dieser Tage diskutiert wird und dass auch die Gefahr eines Risses durch unsere Gesellschaft besteht.

Ich möchte daher darauf hinweisen, dass ich hier nur meinen Standpunkt und meine Gedanken wiedergebe. Ich möchte nicht mahnen und schon gar nicht belehren !

Als ich vor 33 Jahren den Entschluss fasste, meine Heimat, meine Familie und meine Freunde zu verlassen, ging dem ein Traum voraus. Ein Traum von einem Land, in dem ich frei sein konnte, frei von politischer Gängelung, frei von unüberwindbaren Grenzen und natürlich träumte ich auch vom materiellen Wohlstand.

Wie banal scheint mir heute mein Traum in der Rückschau im Gegensatz zu den Bildern von hunderttausenden Menschen, die vor Krieg, Zerstörung, Hunger und Elend fliehen.

Ich bin trotz aller Widrigkeiten, die das System der DDR hatte, in einer glücklichen Kindheit aufgewachsen. Ich kenne keinen Hunger, habe noch nie einen Granateinschlag miterlebt und bin in keinen Kugelhagel geraten.

“Wir brauchen den Frieden, wie die Blume das Licht“

stand in großen Lettern an meiner Schule, das erinnere ich.

In der kritischen Selbstschau müsste ich mich wohl heute eher als Wirtschaftsflüchtling kategorisieren. Und trotzdem war ich bereit, für die Verwirklichung meiner Träume ein hohes Risiko einzugehen. Selbst das Wissen von der Gefahr einer langjährigen Haftstrafe, oder gar verletzt zu werden, oder im schlimmsten Falle getötet zu werden, schreckte mich nicht ab.

Ein Traum, einmal abgeschickt, – und ich meine, keine Träumerei lässt sich nicht mehr aufhalten.

Am 1. Juni 1982 erfüllte sich mein langjähriger Traum. Nach einer einjährigen Haftstrafe im Jugendstrafvollzug Dessau wurde ich von der Bundesrepublik freigekauft. Wie für Tausende vor mir und viele Tausende nach mir, war das Flüchtlingslager Gießen auch meine erste Zuflucht. Überglücklich und überflutet von den ersten Eindrücken, den vielen Farben und einem unendlich scheinenden Warenangebot, sah ich mich aber schon am ersten Morgen nach meiner Ankunft der Bürokratie gegenüber. Endlose Fragebögen mussten ausgefüllt werden, in welcher Stadt soll die Registrierung vorgenommen werden, gibt es Verwandtschaft wo man unterkommen kann usw. usw.

Diese Hürde genommen, wird man schon mit neuen Papieren ausgestattet, wo man sich innerhalb der nächsten drei Tage an seinem Zielort anzumelden hat. Dann immer so weiter, Arbeitsamt, Sozialamt, Übergangsgeld beantragen, sprich alle Ämter einmal durch. Damit der Spass aber vollkommen wird, sind alle Behörden im Landkreis weit entfernt von einander verteilt. Und ich spreche die gleiche Sprache, kann alles lesen, kann mich durchfragen und verstehe doch nur die Hälfte von diesem Beamtendeutsch. Ich hatte Freunde, entfernte Verwandtschaft, die mir bei meinen ersten Schritten in der neuen Heimat geholfen haben, die mich aufgenommen haben, mir Kleidung, Essen, und ein Bett gegeben haben.

Was für ein Traumstart!

Erst durch den Vergleich mit der Situation der Menschen, die hier jetzt ankommen, wird mir das so richtig bewusst. Am 10. September 1989, sieben Jahre nach meiner Flucht, öffnete Ungarn seine Grenzen nach Österreich. In der Nacht auf Sonntag, passierten 5.000 Flüchtlinge aus der DDR die Grenze nach Österreich und kamen so in die Bundesrepublik. Bis Dienstagabend sollten es rund 15.000 Menschen sein.

Am 30. September verkündet der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher, die Ausreise für 17.000 Menschen aus der Prager Botschaft und läutet das Ende der DDR ein.

All diese Menschen hatten einen legitimen Traum von einem besseren Leben und wurden von der überwältigenden Mehrheit der Bundesbürger herzlich aufgenommen. Bewusst provozierend, aber den gleichen Maßstab wie bei mir selbst ansetzend: müssen wir nicht auch hier von Wirtschaftsflüchtlingen sprechen?

Trotz vieler Schwarzmaler, Skeptiker und Zweifler, haben wir doch, so denke ich, eine halbwegs ansprechende Wiedervereinigung hinbekommen.

Und heute – 25 Jahre nach der Wiedervereinigung – stehen wir alle vielleicht vor der größten Herausforderung dieses Jahrhunderts. Weltweit sind über 60 Millionen Menschen vor Krieg, Mord, Hunger und Vertreibung auf der Flucht.

Was ist mit ihren Träumen?

Ich möchte in meiner Zeichnung nicht auf die politische Diskussion eingehen, ob oder wieviele Menschen eine Zuflucht in Europa und in Deutschland bekommen können. Was die Ursachen für all das Elend sind, wo die Schuld dafür zu suchen ist oder was gemacht werden sollte. Diese Diskussion können wir an anderer Stelle führen.

“Mensch werde Wesentlich“

ist das übergeordnete Thema für dieses Maurerjahr.

Mein Traum von einem Leben in Freiheit hat sich erfüllt.

Ich konnte mich hier frei entwickeln, habe mir eine Existenz aufgebaut, nutze das Recht auf Meinungsfreiheit und genieße das Recht der Reisefreiheit.

Alles in allem, kann ich sagen, – ich bin zufrieden.

Bei Euch meine lieben Brüder, in der Freimaurerei habe ich etwas ganz besonderes gefunden. Einen Schatz!

WIR bauen den Tempel der Humanität. Und die Steine derer wir bedürfen sind die MENSCHEN.

Was für starke Worte, die wir bei jeder Tempelarbeit hören, so wie vor 10 Minuten, bei der festlichen Einleitung. Und alles was wir brauchen, um sie fest miteinander zu verbinden, ist Menschenliebe, Toleranz und Brüderlichkeit.

Wie einfach ist das denn 😉 ?

Nun ja meine lieben Brüder, die Menschen sind da.

Ob sie ihren Traum von einem Leben in Sicherheit und Freiheit folgen, ob sie einfach nur überleben wollen, ob sie aus völliger Verzweiflung, aus Krieg oder Verfolgung flohen… Sie sind jetzt hier. Sie sind erschöpft und brauchen unsere Hilfe.

Nach guten Gedanken und schönen Worten müssen auch Taten folgen oder um es mit den Worten eines mir geschätzten Bruders zu sagen: Irgendwann muss man auch liefern.

Jeder muss hier seinen eigenen Weg finden, ob und wie viel er bereit ist, in unsere neuen Mitbürger zu investieren, ob er offen und freundlich zu ihnen ist, oder sich der Realität verschließen will.

Die Hilfsbereitschaft in unserem Land ist überwältigend und wenn es überhaupt einen Grund dafür gibt, “stolz, Deutscher zu sein“ wäre es in diesen Tagen genau deswegen. Die Möglichkeiten, sich zu engagierend, sind vielfältig vorhanden. Es gibt unzählige Vereine, Hilfswerke usw. Ob mit Sachspenden, Geldspenden oder persönlichen Engagement – man muss nur wollen.

Unsere Welt wird sich verändern, man kann sich der Herausforderung stellen, oder im Abseits stehen.

“Mensch werde Wesentlich“

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